Neues zur Seelotsenausbildung – ein Überblick!

Einstieg – Inhalt – Perspektiven

Das Seelotswesen ist ein wichtiges Element der Sicherheit des Schiffsverkehrs an der deutschen Küste. Die Beratung durch revierkundige Seelotsen trägt seit vielen Jahren wesentlich zur Gewährleistung der Sicherheit des Schiffsverkehrs auf den Seeschifffahrtsstraßen bei. Aufgrund der Entwicklung in der deutschen Seeschifffahrt ist jedoch zunehmend ein struktureller Bewerbermangel für den Beruf des Seelotsen zu verzeichnen.

Nach aktueller Rechtslage müssen Bewerberinnen und Bewerber für die Seelotsenanwartschaft neben einem gültigen Befähigungszeugnis zum Kapitän eine in der Regel mehrjährige Seefahrtzeit in führender Position nachweisen können. Durch den Rückgang von Schiffen unter deutscher Flagge und der damit verbundenen rückläufigen Entwicklung bei der Ausbildung deutscher Seeleute hat sich die Anzahl qualifizierter Bewerber in den letzten Jahren drastisch verringert.
Auch Bewerbungen aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind nicht in signifikantem Maße zu verzeichnen. Unter den derzeitigen Voraussetzungen werden die in den nächsten Jahren durch Ruhestand vakant werdenden Stellen nicht mehr nachbesetzt werden können. Vor diesem Hintergrund müssen durch eine Änderung des Seelotsgesetzes die Zugangsvoraussetzungen für die Ausbildung zur Seelotsin oder zum Seelotsen modifiziert werden, um neue qualifizierte Bewerberfelder zu erschließen.

Vorgeschichte

Gemäß Erlass vom 30.04.2012 wurden die ehemaligen Wasser- und Schifffahrtsdirektionen Nord und Nordwest beauftragt, eine Arbeitsgruppe unter Federführung der WSD Nord gemeinsam mit der Bundeslotsenkammer zu bilden, die das erkennbar ansteigende Problem des Bewerbermangels im nautischen Bereich und speziell die schwieriger werdende Nachwuchsgewinnung für den Seelotsenberuf untersuchen und adäquate Mittel zur Bewältigung herausarbeiten sollte.
Mit der Vorlage des unter Hinzuziehung von Experten erarbeiteten Feinkonzeptes am 20.6.2018 legte die AG somit die Grundlage für die sich im Gesetzentwurf widerspiegelnden Inhalte der Reform. In der Folge wurden diese noch durch einen verpflichtenden Masterabschluss als Voraussetzung für die Bestallung erweitert.

Die Novellierung des Seelotsgesetzes und dessen Inhalte

Die Gesetzesänderung dient dazu, die Zulassungsvoraussetzungen für einen attraktiven neuen zusätzlichen Ausbildungsweg zu schaffen, um den dringend erforderlichen Nachwuchs an Seelotsen zu gewinnen. Die Neukonzeption der Ausbildung betrifft insbesondere die Kompensation der klassischen Seefahrtzeit durch eine bedarfsgerechte Praxisausbildung.
Derzeit beträgt die Ausbildungszeit, die Anwärter vor der Bestallung durchlaufen müssen acht Monate. Zukünftig wird die Dauer der modularen Ausbildung, gestaffelt nach Eingangsqualifikation, im Regelfall 12 , 18 oder 24 Monate betragen Der 24 monatige Ausbildungsweg eröffnet einem breiteren Bewerberkreis die Möglichkeit zum Erwerb der notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten. Dieser neue Ausbildungsweg wird durch eine Änderung der Verordnung über die Aus- und Fortbildung der Seelotsen geregelt. Daneben ist als Ausgleich für die Kompensation der Fahrtzeit die Intensivierung der umfassenden psychologischen Eignungsbeurteilung, die in der Verordnung über die seeärztliche Untersuchung der Seelotsen geregelt ist, erforderlich.

Das aktuell laufende Gesetzgebungsverfahren wird voraussichtlich im Mai 2021 den Bundestag passiert haben und damit abgeschlossen sein. Der §9 der Novellierung, der erst im November 2022 in Kraft treten wird, wird drei verschiedene Zugangswege zum Beruf des Seelotsen beinhalten. Das neue Seelotsgesetz verbindet durch den zusätzlichen Zugangsweg zum Lotsenberuf Tradition und Moderne.
Auch weiterhin wird der Weg zum Seelotsen erfahrenen Kapitänen offenstehen. Auch qualifizierte Offiziere, die im Besitz eines Kapitänspatentes sind, jedoch über keine Fahrzeit mit diesem Patent verfügen, sind willkommen.
Um einen größeren Bewerberpool zu erreichen wird es zukünftig jedoch auch möglich sein, mit einem Bachelorabschluss der Fachrichtung Nautik und einem Befähigungszeugnis als Nautischer Wachoffizier die Ausbildung zum Seelotsen beginnen können.
Für diese Bewerbergruppe wird die dann zweijährige Seelotsenausbildung als berufsintegrierter Masterstudiengang gestaltet, als Voraussetzung zur Bestallung als Seelotse oder Seelotsin ist ein Masterabschluss der Fachrichtung Seelotswesen vorzuweisen, der an einer mit der Bundeslotsenkammer kooperierenden Fachhochschule erworben wurde.

Aktuelle Aufgaben zur Umsetzung

Viele europäische und außereuropäische Nationen stehen vor den gleichen Herausforderungen, da auch dort die Bewerberzahlen aus der Seeschifffahrt stark rückläufig sind. Unsere neue Lotsenausbildung betrachten wir daher als international richtungsweisend. Alle Beteiligten sind sich der damit einhergehenden Verantwortung bewusst und tragen auf allen Ebenen zu einer optimalen Ausgestaltung bei.

So werden die Seelotsen im Rahmen ihrer Fortbildung durch gemeinsam mit einem maritimen Kompetenzzentrum entwickelten Train-the-Trainer Lehrgängen auf ihre zukünftig erweiterte Ausbildertätigkeit vorbereitet.
Die zukünftigen Lotsenanwärter und – anwärterinnen werden in der Regel jünger sein und über eine deutlich geringere Seefahrtserfahrung verfügen. Dieses gilt es durch eine erweiterte und vertiefte Ausbildung zu kompensieren.
Diese TtT Lehrgänge werden in „basic“ und „advanced“ unterteilt, um zum einen die Seelotsen weiterzubilden, die die Anwärter im Rahmen der alltäglichen Berufsausübung anleiten, zum anderen jedoch auch die Lotsenkollegen weiterzubilden, die eine fest umschrieben Aufgabe im Kontext der Ausbildung übernehmen wollen.
Weiterhin müssen die Anlagen zur Seelotsenaus- und Fortbildungsverordnung erstellt werden. Kernstück ist hier der Rahmenplan, in welchem alle Inhalte der zukünftigen Seelotsenausbildung abgebildet und die zu erwerbenden Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten dargestellt werden.
Hier wurde durch die Ausbilder der Brüderschaften bereits eine hervorragende Arbeit geleistet.

Nach erfolgter Ausschreibung durch die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS) im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums (BMVI) wurde der Firma HR Diagnostics der Auftrag zur Entwicklung von Verfahren der Anforderungsanalyse und Eignungsbeurteilung zur psychologischen Berufseignung erteilt.
HR Diagnostics ist spezialisiert auf Bewerbermanagement und Eignungsdiagnostik bei Personalauswahl und Potenzialanalyse. In enger Zusammenarbeit mit der GDWS, der BLK und den Lotsenbrüderschaften werden geeignete Instrumente zur Sicherstellung der Bewerberqualität erarbeitet.
Zur Anforderungsanalyse wird das renommierte „Fleishman Job Analyse System“ herangezogen, derzeit (Jan 2021) wird die abschließende, lotsenspezifische Anpassung vorgenommen. Hier obliegt es der Gesamtheit der deutschen Lotsenschaft durch möglichst umfassende Teilnahme ein möglichst genaues Bild unseres Berufes und seiner Anforderungen zu erzeugen.

Die Bundeslotsenkammer sucht derzeit in den Reihen der nautischen Fachhochschulen nach einem Kooperationspartner zur gemeinsamen Entwicklung eines berufsintegrierten Masterstudienganges mit dem Titel MSc Maritime Pilotage. Die Bundeslotsenkammer hat alle nautischen Fachhochschulen in Deutschland angeschrieben und ihnen einen detaillierten Kriterienkatalog für die angestrebte Kooperation und die gemeinsame Entwicklung des Masterstudiengangs unterbreitet.
Erfreulicherweise haben sich alle angeschriebenen FHn mit einem guten Konzept zurückgemeldet. Die Mitglieder der Bundeslotsenkammer haben jetzt die Qual der Wahl. Sie werden im Rahmen der Jahreshauptversammlung am 5.März über den zukünftigen Kooperationspartner entscheiden. Selbstverständlich ist es den FHn freigestellt, untereinander zu kooperieren, eine Auswahl mehrerer Kooperationspartner kommt jedoch aufgrund der zu erwartenden Studierendenzahl zumindest nach derzeitig absehbarem Stand, nicht infrage.
Zunächst geht es um die Entwicklung und Akkreditierung des angestrebten Studienganges. In der Kooperation verzahnt sich die berufsspezifische Expertise der Lotsen mit den bildungswissenschaftlichen Kompetenzen der Hochschulen.

Auch wenn sich alle Beteiligten sicher sind, mit dem zusätzlichen Zugang einen attraktiven Berufsweg für junge Menschen anbieten zu können, so kann man sich trotzdem nicht dem Wettbewerb um „die besten Köpfe“ entziehen. Wichtig ist deshalb auch die frühzeitige Bewerbung des neuen, zusätzlichen Ausbildungsweges.
Es ist notwendig, für die zukünftigen Generationen von Lotsinnen und Lotsen ein Leitbild zu erstellen. Dieses Leitbild ist gemeinsam mit dem Aufbau der Marke „Wir Lotsen“ die Basis für die nachfolgende Anwerbekampagne. Diese Anwerbekampagne soll sowohl herkömmliche Werbemittel, wie z.B. Plakate, Anzeigen und Flyer integrieren, als auch eine „landing page“ und die Einbeziehung geeigneter Social-Media-Kanäle beinhalten.
Der frühzeitige Beginn der Kampagne ist unerlässlich.
Die Entwicklung eines Leitbildes, die Herstellung entsprechenden Filmmaterials, die Einrichtung entsprechender Social- Media- Kanäle und die Entwicklung dieser „landing page“ können vor Herbst 2021 nicht abgeschlossen werden. Nach jetzigem Stand kann die erste Gruppe, die den neuen Ausbildungsweg einschlägt, die Ausbildung zum Sommersemester 2023 beginnen. Bis dahin muss die Kampagne jedoch bereits „gewirkt“ haben, sie muss die Aufmerksamkeit der jungen Leute erregt haben und weitgehend bekannt sein.

Die Erfüllung all dieser Aufgabe erfordert viel Engagement von allen Beteiligten. Sie erfordert aber auch die Bereitstellung der dafür benötigten finanziellen Mittel. Da die Vorhaltung des Seelotswesens dem Bund obliegt, ist dieser auch für die entsprechende finanzielle Ausstattung zuständig. Er kommt dieser Verpflichtung nach, indem er den Bedarf der Alimentation in Form einer Anschubfinanzierung zur Verfügung stellt. Dieser Bereich ist zukünftig durch die neu bestallten Lotsen durch anteilige Abzüge ihrer Einnahmen abzudecken.
Zusätzlich sorgt das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur durch die Übernahme der Fixkosten für die Bereitstellung der für die Lotsenausbildung notwendigen personellen und sachlichen Infrastruktur. Hierfür sei allen Beteiligten aus dem BMVI und den Bundestagsabgeordneten, die sich für die „neue Lotsenausbildung“ eingesetzt haben, herzlich gedankt!

Ausblick

Die vorstehende Aufzählung zeigt, dass wir Lotsen an allen Komponenten bei der Gestaltung der neuen Ausbildung maßgeblich beteiligt waren und sind.
Eine solche Beteiligung ist ein hohes Gut und im internationalen Vergleich nicht selbstverständlich. Die Mitglieder der Bundeslotsenkammer wissen dieses zu schätzen und werden auch weiterhin auf allen Ebenen zum Gelingen der Reform beitragen. Wir freuen uns auf die anstehenden vielfältigen Aufgaben und sehen dem Ergebnis, nämlich der zukunftsfesten Sicherung unseres Berufsstandes, mit Zuversicht entgegen.