Den Beruf des Seelotsen und dessen Aufgaben hat der Gesetzgeber definiert. Er sichert sich damit die Kontrolle sowohl über die Qualität als auch die Quantität der Seelotsen. So heißt es im 1. Paragrafen des Seelotsgesetzes, dem SeeLG:
„Seelotse ist, wer nach behördlicher Zulassung berufsmäßig auf Seeschifffahrtstraßen außerhalb der Häfen oder über See Schiffe als orts- und schifffahrtskundiger Berater geleitet. Der Seelotse gehört nicht zur Schiffsbesatzung.“
In §2 SeeLG wird dann die Bereitstellung einheitlicher, ständiger Lotsdienste angeordnet, um die Sicherheit der Schifffahrt zu gewährleisten. In weiteren Abschnitten des SeeLG sowie anderen Rechtsordnungen wird das Tätigkeitsfeld und die Verantwortung des Seelotsen näher beschrieben und eingegrenzt.
Freiberuflich, eigenverantwortlich, aber in einem festen Verbund organisiert
Insgesamt ergibt sich ein Beruf, der bei ständiger Verfügbarkeit höchsten Sicherheitsansprüchen in den engen, flachen und stark befahrenen Gewässern an den Küsten und auf den Flüssen genügen muss. Darüber hinaus ist die Unabhängigkeit des Seelotsen gewährleistet:
„Der … Seelotse übt seine Tätigkeit als freien, nicht gewerblichen Beruf aus.“ (§21 SeeLG)
Einzigartiges Tätigkeits-Spektrum mit wenig Bürokratie
Der Seelotse ist der erste Staatsbürger, der ein ihm unbekanntes anlaufendes Schiff betritt, das er sicher und möglichst unterbrechungsfrei an sein Ziel bringt. Er hat seine Beratungsleistung zu jeder Tageszeit an jedem Tag des Jahres zu erbringen und handelt immer eigenverantwortlich. Ein Beruf mit erfreulich wenig Büroarbeit.
Die Verantwortung für das Schiff obliegt stets dem Kapitän, dem Seelotsen hingegen obliegt die Beratungsverantwortung und Beratungspflicht aus öffentlichem Interesse heraus.
Wer den Beruf eines Seelotsen in einem Seelotsrevier ausüben will, bedarf einer sogenannten Bestallung, das ist eine offizielle Einsetzung in – und Zulassung für – diese Tätigkeit, ähnlich der Approbation bei Ärzten.
Zudem ist Beruf des Seelotsen ein sogenannter Sekundärberuf, das heißt: Er folgt dem Primärberuf des Kapitäns. Derzeit kann nur Seelotse werden, wer:
- ein gültiges Befähigungszeugnis ohne Einschränkung in den nautischen Befugnissen zum Kapitän besitzt,
- eine Seefahrtzeit von mindestens zwei Jahren in einer nautisch verantwortlichen Position nachweisen kann und
- ein Zeugnis des seeärztlichen Dienstes über seine körperliche und geistige Eignung für den Beruf des Seelotsen vorlegen kann
- deutsche Sprache in Wort und Schrift beherrscht und gute Kenntnisse der englischen Sprache besitzt
Die lotsenspezifische Grundausbildung
Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur kann auf Antrag einer Lotsenbrüderschaft eine lotsenspezifische praxisorientierte Grundausbildung vorsehen. Für diese entfällt dann die Bedingung „Seefahrtzeit von mindestens zwei Jahren in einer nautisch verantwortlichen Position“. Diese Grundausbildung kann derzeit nur bei der LB NOK 1 absolviert werden.
Der Beruf des Seelotsen ist derzeit ein Sekundärberuf. Das heißt es ist zunächst im Primärberuf ein Reifeziel zu erreichen, bevor der Seelotsberuf ergriffen werden kann. Das primäre Berufsziel ist in diesem Fall das Kapitänspatent ohne Einschränkungen mit entsprechender Fahrzeit in der Seeschifffahrt.
Erst Kapitän, dann Seelotse
Nach der Erfahrungszeit mit dem Kapitänspatent und der Erfüllung weiterer Eignungsvoraussetzungen kann man sich zum Seelotsanwärter bewerben. Die Bewerbung geht an die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GWDS), die diese prüft und an die vom Bewerber gewünschte Lotsenbrüderschaft weiterleitet.
Bei entsprechendem Bedarf an Seelotsen ist die behördliche Zulassung zum Seelotsanwärter möglich. Ist der Bedarf geringer als die Anzahl der Bewerber entscheidet ein Auswahlverfahren über die Zulassung.
Nach der Zulassung durchläuft der Anwärter eine 8-monatige Ausbildung durch die künftige Lotsenbrüderschaft mit anschließender staatlicher Prüfung der GDWS und Bestallung zum Seelotsen für das Ausbildungsrevier.
Mit der Bestallung und somit der Mitgliedschaft in einer Lotsenbrüderschaft beginnt auch die Zeit der freiberuflichen, nicht gewerblichen Tätigkeit als Seelotse.
Der Berufsweg des Seelotsen
Für den Weg vom allgemeinen Schulabschluss bis hin zum Volllotsenstatus vergehen in der Regel 12 bis 15 Jahre.
Mit Erreichen der im Seelotsgesetz festgelegten Altersgrenze von 65 Jahren geht der Seelotse in den Ruhestand.
Zugangsvoraussetzungen
Allgemein heißt es dazu in §9 (1) Seelotsgesetz:
„Als Seelotsanwärter darf nur zugelassen werden, wer für den Beruf des Seelotsen auf Grund seiner Berufsausbildung und Berufserfahrung befähigt sowie geistig und körperlich geeignet ist und die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. Zuverlässig ist, wer die Gewähr dafür bietet, dass er die einem Seelotsen obliegenden Pflichten erfüllen wird.“
Der traditionelle Weg über die Fahrzeit als Kapitän hat die folgenden Voraussetzungen für Bewerber:
- Gültiges Kapitänspatent ohne Einschränkungen oder anerkanntes, gleichwertiges Dokument aus der EU oder EWR (exkl. für Fischereifahrzeuge)
- Amtlicher Nachweis über Fahrzeit von 2 Jahren innerhalb der letzten 5 Jahre in verantwortlicher Position (Seefahrtbuch)
- Zeugnis des seeärztlichen Dienstes über seine körperliche und geistige Eignung für den Seelotsberuf
- Deutsche Sprache in Wort und Schrift, gute Kenntnisse in der englischen Sprache
Die Anwärterausbildung dauert 8 Monate. Eine etwaige Grundausbildung ist vorangestellt.
Der alternative Weg über die Grundausbildung befreit vom Nachweis der 2-jährigen Fahrzeit mit dem einschränkungsfreien Patent in verantwortlicher Position. Das heißt: Man kann sich auch ohne diese Fahrzeit für eine praxisorientierte Grundausbildung bewerbern. Die Voraussetzung dafür:
- Eine Lotsenbrüderschaft hat einen Antrag auf Grundausbildung gestellt, der genehmigt wurde (aktives Ausschreibungsverfahren für Grundausbildung)
- Einschränkungsfreies Patent darf zum Zeitpunkt der Ausschreibungsbekanntgabe nicht älter als 3 Jahre sein
Die Grundausbildung ist der Ausbildung zum Seelotsen vorangestellt. Sie dauert 6 Monate. Über die Grundausbildung dauert der Weg bis zur Bestallung zum Seelotsen somit 14 Monate.
Im Moment ist eine grundlegende Reform der Seelotsenausbildung in Arbeit. Hierzu ist eine Änderung des Seelotsgesetzes notwendig.
Nach dieser Änderung wird es möglich sein, nach Erhalt des Befähigungszeugnisses zum Wachoffizier eine verlängerte Seelotsenausbildung in Form eines berufsintegrierenden Masterstudiengangs zu beginnen, die mit der Ausstellung eines Master MSc. Abschlusses endet.
Einkommen
Das Einkommen ist durch das Bundesverkehrsministerium als Tarifgeber so zu bemessen, dass die Seelotsen bei normaler Inanspruchnahme ein Einkommen und eine Versorgung haben, die ihrer Vorbildung und der Verantwortung ihres Berufes entsprechen. Es entspricht in etwa dem Einkommen eines Kapitäns.
Das Lotsgeld ist von den Schiffen aufzubringen, die Lotsdienstleistungen in den Seelotsrevieren der Lotsenbrüderschaft in Anspruch genommen haben.
Der Seelotse kann sein Einkommen nicht frei aushandeln, auch darf er nicht streiken.
Verteilung der Einkünfte, Verantwortlichkeiten, Arbeitszeit
Nach Abzug der von der Lotsenbrüderschaft einzubehaltenden Beträge verteilt sie das restliche Lotsgeld per Auszahlung an die Mitglieder, die hiervon ihre zusätzliche private Altersvorsorge betreiben, eine Kranken- und Pflegeversicherung bezahlen, Rücklagen schaffen, ihre Betriebsausgaben aufbringen sowie Einkommenssteuern abführen.
Die Höhe des restlichen persönlichen Lotsgeldes ist verkehrsbedingt schwankend und in erster Linie abhängig von der Anzahl der Schiffe, die durch das Seelotsrevier gelotst werden.
Das Seelotsgesetz sieht in §45 (3) vor, dass der Seelotse „bei normaler Inanspruchnahme ein Einkommen und eine Versorgung hat, die seiner Vorbildung und der Verantwortung seines Berufes“ entsprechen.
Die normale Inanspruchnahme beinhaltet eine vom Tarifgeber festgelegte Wochenarbeitszeit von knapp 50 Stunden, die unabhängig von der Tageszeit und den gesetzlichen Feiertagen vom Seelotsen zu erbringen sind.
Unter Vorbildung ist die gesamte Ausbildung, angefangen von der Erlangung des Kapitänspatents über die Erfahrung durch das Ausüben des Berufes bis hin zur Fort- und Weiterbildung alles zu verstehen, was der Kapazität des Seelotsen zuträglich ist und ihn schließlich ausmacht. Auch die Ausbildung zum Seelotsen selbst ist hier einzubeziehen.
Die vom Seelotsen zu tragende Verantwortung ist zunächst gleichrangig mit der des Schiffsführers, den er berät. Zusätzlich hat der Seelotse eine Qualitätsverantwortung, die sich aus der IMO-Resolution A.960 und dem Seelotsgesetz ergibt:
„Der Seelotse hat seine für die Lotstätigkeit notwendigen Kenntnisse laufend zu ergänzen.“ §25 (1) SeeLG
Das Lotsgeld ist nicht zu verwechseln mit der Lotsabgabe, die der Bund für die Infrastruktur des Seelotswesens – Wachen, Versetzboote, Stationen und Stationsschiffe – einnimmt und verwendet.
Die Lotsenbrüderschaft zieht von den eingehenden Lotsgeldern zunächst die durch Gesetz und Verteilungsordnung vorgesehenen Mittel ab und sorgt für entsprechende Verwendung.
Der Rest wird im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Verteilungsordnung gleichmäßig an die Seelotsen ausgeschüttet. Dabei ist unerheblich, ob Junglotse oder Volllotse, ob die einzelnen Dienstzeiten am Tage, in der Nacht oder an Feiertagen lagen. Jeder erhält, bei ordnungsgemäßem Dienst, den gleichen Anteil.
Mit der Auszahlung erhält der Seelotse die Mittel für seine Betriebsausgaben, Steuern und Sozialabgaben und natürlich sein Einkommen.
Altersvorsorge
Der Seelotse ist in der gesetzlichen Rentenversicherung (Deutsche Rentenversicherung – DRV) pflichtversichert (vgl. §2 Nr. 4 Sozialgesetzbuch VI). Als Freiberufler ist hier der volle Beitrag (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil) fällig. Die Lotsenbrüderschaft zieht den Gesamtbetrag für alle Mitglieder von den eingehenden Lotsgeldern vor der Ausschüttung ab und übermittelt die Summe direkt an die DRV. Auf diese Weise fließen von allen Seelotsen pro Jahr rund 11 Mio. Euro in die Rentenkasse.
Da die spätere Rente aus der gesetzlichen Rentenkasse – wie bei allen Rentenversicherungspflichtigen – zu gering ausfallen wird, muss auch der Seelotse aus seinem persönlichen Lotsgeld weitere Altersvorsorge betreiben. Zusätzlich wird vom Seelotsen Vorsorge für den Fall der Berufsunfähigkeit und Hinterbliebenenabsicherung getroffen.
Krankenversicherung
Einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenkasse unterliegt der Seelotse wegen Überschreitens der Pflichtversicherungsgrenze bzw. seinem Status als Freiberufler nicht. Er kann sich also privat oder freiwillig gesetzlich versichern.
Arbeitslosengeld
Arbeitslosengeld ist ebenfalls nicht zu zahlen. Für den Fall des Ausbleibens der Einnahmen beispielsweise wegen eines Verkehrseinbruches besteht neben der privaten Rücklagenbildung keine Absicherungsmöglichkeit. Hierin liegt das unternehmerische Risiko des Seelotsen.
Körperschaftsbeitrag
Für die Aufwände der Selbstverwaltung von Lotsenbrüderschaft und Bundeslotsenkammer inklusive der abhängig Beschäftigten der Körperschaften hat der Seelotse einen jährlich neu festgesetzten Pflichtbeitrag zu leisten.
Unfall- und Berufshaftpflichtversicherung
Als Freiberufler sind Beiträge für diese Versicherungen selbstverständlich.
Der Seelotsanwärter (Aspirant) hält eine behördliche Zulassung zur Ausbildung zum Seelotsen für die Seelotsreviere einer bestimmten Lotsenbrüderschaft (>Sitze der Brüderschaften). Im Allgemeinen ist der Anwärter zuvor zur See gefahren und durchläuft nun eine 8-monatige Ausbildung, die von der Lotsenbrüderschaft durchgeführt und organisiert wird.
Die Ausbildung besteht aus theoretischem Unterricht in allen relevanten Sachgebieten sowie praktischem Unterricht – inklusive Simulatortraining und Begleitung von Seelotsen bei ihrem Dienst.
Am Ende der Ausbildung steht die staatliche Prüfung vor der Wasser- und Schifffahrtsdirektion, in der das gesamte Fachwissen präsentiert werden muss.
Die Theorie
Der Unterricht wird vornehmlich von einem durch die Mitgliederversammlung gewählten Seelotsen – dem Ausbilder – durchgeführt. Zusätzlich werden Kenntnisse von Behördenvertretern vermittelt.
Der Lehrplan sieht das Vermitteln folgender Kenntnisse vor:
Seelotsgesetz, Ordnungen und Verordnungen insbesondere SeeSchStrO
- Struktur des Seelotswesens sowie der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung inkl. relevanter Bereiche von BMVI, ASt der GDWS und WSAn
- Revierkunde inkl. aller See- und Schifffahrtzeichen mit Farbe, Kennung, Sektorengrenzen und Position sowie der Schallsignale von Fahrzeugen und Landinstallationen, etc.
- Revierkunde inkl. aller Kurse, Wassertiefen, Pierlängen, Kruvenradien, Fährstellen, Brücken, Hochspannungsleitungen mit Ansage der entsprechenden Revierkilometer, etc.
- Meldepflichten inkl. Sprechkanälen und Stationsnamen
- Brüderschaftsstruktur inkl. Verwaltungsaufbau, Organe, Bört- und Dienstordnung sowie aller Statuten
- Wachdienst der Lotsenstationen
- Bridge resource management
Die Praxis
Die Praxis gliedert sich in zwei Bereiche: die freie Beratungsbegleitung und die feste Zuteilung zu einem bestimmten Seelotsen (Fahrlotsen).
Freie Wahl der prüfungsrelevanten Fahrten
In der „freien Fahrt“ hat der Aspirant eine vorgegebene Anzahl von Beratungsbegleitungen auf vorgegebenen Strecken und mit bestimmten Fahrzeugklassen durchzuführen. Er kann Zeitraum und Strecken selbst bestimmen, muss vor der Prüfung jedoch alles erfüllt haben.
Mit Begleitung
Im „festen Törn“ fährt der Aspirant immer mit einem bestimmten Seelotsen (Fahrlotsen) mit, das bedeutet: Er hat eine Zeitlang den gleichen Lehrmeister, der tiefergehende praktische Übungen planmäßig mit ihm durchführen kann. Zudem lernt der Anwärter in dieser Zeit erstmalig die reale Dienstfolge der Seelotsen und deren Dienstordnung (Bört) kennen. Der Fahrlotse stellt eine prüfungsrelevante Beurteilung aus.
Simulation
Zur praktischen Ausbildung gehört auch das Training im Schiffssimulator. Hier kann frei von jeglichem Schadenrisiko und doch realistisch gezielte Übungen im künftigen Revier gefahren werden.
Der Abschluss
Am Ende der 8-monatigen Ausbildung steht eine Prüfung vor der Aufsichtsbehörde.
Die Prüfung ist nicht ohne Grund durchaus „erschöpfend“.
Der Prüfling wird auf eine Wissensschwelle hin geprüft, die es ihm in der nahen Folge erlaubt, selbständig, eigenverantwortlich und durchaus selbstbewusst und vertrauenswürdig „gestandene“ Schiffsführungen bei der Passage durch „sein“ Revier zu beraten. Er soll nun alle Ecken und Kanten des Reviers kennen und alle Gefahren für Besatzung, Umwelt, Schiff und Ladung sicher und zuverlässig umschiffen können.
Auf den Lern- und Prüfungsstress folgt der Erhalt der Bestallungsurkunde von der Außenstelle der GDWS … und das befreiende Gefühl und die Gewissheit, nun bestallter Seelotse zu sein!
Für das angemessene Zelebrieren dieses Ereignisses bleibt jedoch nicht allzu viel Zeit und Energie. Mit dem nächsten Ersten beginnt – wieder einmal – der Ernst des Lebens. Der gestandene Kapitän ist nun Junglotse.